
DDass es sich um eine Show von Lobbyisten handeln würde, war bereits klar, bevor die Bundesnetzagentur (BNetzA) überhaupt ein Anhörungsverfahren zum sogenannten Maximalausgleich eingeleitet hatte. Es ist bereits der zweite Versuch, ein Zukunftsproblem zu regulieren: Wenn immer mehr Haushalte Wärmepumpen und Elektroauto-Ladestationen für Privatautos anschaffen, stößt das Stromsystem vielerorts an die Widerstandsgrenze.
Vor allem, wenn in bestimmten Spitzenzeiten alle gleichzeitig ihr Elektrofahrzeug an die Wallbox anschließen wollen, sollten die Kapazitätsgrenzen im Verteilnetz schnell erreicht werden. Damit es in solchen Phasen nicht zu Überlastungen oder gar Stromausfällen kommt, sollte für Nutzer von Elektroautos und Wärmepumpen – im offiziellen Deutsch heißt das regelbare Verbrauchseinheiten – der Strom reduziert werden.
Gemäß § 14a Energiewirtschaftsgesetz legt die Bundesnetzagentur hierfür verbindliche Regeln fest. Ihre eigenen Pläne dazu hat sie bereits in einem Eckpunktepapier vorgestellt, Verbände und Interessengruppen hatten bis zum 27. Januar Zeit, Stellungnahmen abzugeben.
Vor allem in der Autoindustrie stießen die Pläne erwartungsgemäß auf wenig Begeisterung. Die Branche befürchtet, dass die Attraktivität von Elektroautos deutlich sinken würde, wenn Kunden nicht mehr jederzeit die Möglichkeit hätten, ihr Auto aufzuladen.
Es stimmt, dass viele Besitzer von Elektrofahrzeugen bereits Vereinbarungen mit ihren Lieferanten treffen, um während der Stoßzeiten langsamer zu laden, um ein Überladen zu vermeiden. Doch künftig soll es nach den Vorstellungen der Bundesnetzagentur keine Wahl mehr geben, eine Drosselung wäre Pflicht.
Zwangsgas an E-Ladesäulen illegal?
Allerdings soll auch eine solche Zwangsdrosselregelung laut einer rechtlichen Stellungnahme eines Unternehmens der Automobilindustrie illegal sein. WELT liegt eine achtseitige „Kurznotiz“ der Kanzlei Assmann Pfeiffer vor.
Die Kanzlei mit dem Slogan „Vorreiter im Energiemarkt“ kommt zu einem klaren Schluss: „Die Ausgestaltung des § 14a, der die allgemeine Beteiligungspflicht sogenannter steuerbarer Verbraucher vorsieht, verstößt voraussichtlich gegen geltendes Recht“, schreibt die Kanzlei . Anwälte im “vertraulichen” Papier.
Die Bundesnetzagentur will in zwei Phasen vorgehen: Ab dem kommenden Jahr bis Ende 2028 soll zunächst eine Übergangsregelung greifen. In dieser Zeit sollte die Leistung nicht nur in den Phasen reduziert werden, in denen eine reale Gefahr der Netzüberlastung besteht.
Stattdessen wird von einer sogenannten Lageregelung ausgegangen, bei der die Leistung zu bestimmten Zeiten reduziert wird, wenn erfahrungsgemäß eine hohe Belastung zu erwarten ist.
Diese Übergangsphase ist laut Bundesnetzagentur notwendig, weil es den Anlagen bisher an digitaler Messtechnik fehle, um eine drohende Überlastung feststellen zu können. Kritiker sprechen daher in dieser Übergangszeit von „Throttling by Timer“.
Erst 2029 greift das sogenannte Zielmodell, wo dann ein dynamisches Monitoring stattfindet. Das bedeutet, dass der Strom nur dann gedrosselt wird, wenn es die Kapazität des Netzes erfordert.
Einige Stromkunden würden schlechter gestellt
Die vom Autobauer beauftragten Anwälte kommen zu dem Schluss, dass sowohl die Übergangsregelung als auch das Zielmodell in ihrer bisher vorgeschlagenen Form rechtswidrig sind. “Mitwirkungspflichten im Hinblick auf die Übergangsregelung (bis 2029) dürften sowohl unnötig als auch unangemessen und übertrieben sein, da erheblichen Eingriffen wahrscheinlich nur minimale Vorteile für die Netze gegenüberstehen”, heißt es in dem Vermerk.
Einige Stromkunden würden durch die vorgeschlagene Regelung unter anderem schlechter gestellt als andere: „Verbraucher mit Wärmepumpen, Wallboxen oder Batteriespeichern müssten damit rechnen, schlechter gestellt zu sein als beispielsweise Verbraucher.“ mit Saunen, Schwimmbädern oder anderen Verbrauchern, die nicht unter § 14a EnWG fallen. Nach EU-Recht darf der Internetzugang jedoch nicht diskriminierend sein.
Es gibt auch deutlich bessere Möglichkeiten, die Stromnachfrage zu steuern, die in die Rechte der Verbraucher eingreifen würden. Vor allem das sogenannte „marktbasierte System“ müsste zunächst als Katalysator eingesetzt werden.
Was technisch klingt, wären einfach variable Strompreise. Wer in besonders schwierigen Zeiten freiwillig keine Leistung belasten oder reduzieren möchte, soll ein günstigeres Netzentgelt erhalten.
Bisher sehen die Eckpunkte der Bundesnetzagentur jedoch nur ein geringfügig niedrigeres Internetentgelt im Gegenzug zu einer Lastminderungspflicht vor. Und zwar für alle Kunden zu jeder Zeit – unabhängig davon, ob ihre Leistung tatsächlich reduziert wurde oder nicht.
Eingriff in die Eigentumsrechte von Stromkunden
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) räumt ein, es sei „nachvollziehbar und unstrittig“, dass „Netzunternehmen über geeignete Werkzeuge verfügen müssen, um die steuerbaren Endgeräte zu verwalten.“ Schließlich müsse die unmittelbare Gefährdung der Netzstabilität abgewendet werden .
„Direkte regulatorische Eingriffe des Betreibers, die den Kundenkomfort erheblich einschränken können, sollten insbesondere bei unvermeidbaren Netzengpässen nur als letztes Mittel eingesetzt werden“, so der VDA in einer Stellungnahme gegenüber der Bundesnetzagentur. “Aus Sicht des VDA sind zeitabhängige, vom Netzzustand abhängige Netzentgelte am besten geeignet, um eine effiziente netzbasierte Verwaltung steuerbarer Endgeräte zu gewährleisten.”
Die Anwälte kamen ihrer Meinung nach zu dem Schluss, dass eine bloße Zwangsmitwirkung an der Drosselung übertrieben und damit auch eine Verletzung der Grundrechte der betroffenen Verbraucher sein könnte, da durch die Nichtnutzung ihrer Wärme massiv in deren Eigentumsrechte eingegriffen würde. Pumpen und Elektroautos in der Dose voll.
Auch die Rechte der Autohersteller würden beschnitten, weil ihre Produkte durch den Convenience-Verlust an Attraktivität verlieren würden. „Folglich dürfte die verpflichtende Beteiligung steuerpflichtiger Verbraucher, die die BNetzA als Beitrag zur Konsultation betrachtet, an dieser Stelle sowohl im Hinblick auf die Übergangsfrist als auch auf die Zielfrist überzogen und damit streitanfällig sein“, schreiben die Anwälte.
Erweitern Sie das Stromversorgungssystem oder die erzwungene Drosselung
Der Kampf der Lobbyisten um eine endgültige Regelung dürfte noch einige Monate andauern. Denn während die Autoindustrie die Pläne kritisiert, hat auch die Bundesnetzagentur Unterstützer.
Sie kommen in erster Linie vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Dort organisieren sich unter anderem die Telefongesellschaften und fordern eine verbindliche Umsetzung. Gäbe es sie nicht, müssten sie entweder ihre Netze schneller ausbauen – und dafür mehr Geld ausgeben, oder Verbindungen zu anderen EV- und Wärmepumpenkunden verweigern, um das bestehende Netz stabil zu halten.
Ende des Jahres soll eine verbindliche Verordnung durch die BNetzA erlassen werden. Bis dahin wird es viele Gespräche geben.
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