
Der Bundestag legt im Infektionsschutzgesetz Regeln für die Triage fest


Eine Intensivschwester steht neben einem Covid-19-Patienten auf der Intensivstation. Reichen die Betten nicht aus, regelt das novellierte Infektionsschutzgesetz
Quelle: dpa/Sebastian Gollnow
Wer bekommt in einer Pandemie ein Notaufnahmebett, wenn es mehr Patienten als Plätze gibt? Nach Beschwerden von Menschen mit Behinderungen hat der Bundestag Regeln für solche Gefummel aufgestellt. Behinderte und ältere Menschen dürfen demnach nicht hinkend stehen.
BBehinderte und ältere Menschen dürfen von der Vergabe weniger Intensivstationen in Krankenhäusern im Pandemiefall nicht verschont bleiben. Am Donnerstagabend hat der Bundestag einer Novelle des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt, die Regeln für die sogenannte Dreifachausgabe in solchen Notfällen formuliert. Dagegen wehrten sich Menschen mit Behinderungen vor dem Bundesverfassungsgericht, weil sie befürchteten, bei der Verteilung knapper medizinischer Ressourcen während der Corona-Epidemie diskriminiert zu werden.
Das Gesetz sieht vor, dass bei Engpässen aufgrund einer Infektionskrankheit medizinische Ressourcen, beispielsweise in einem Krankenhaus, nur nach „aktueller und kurzfristiger Überlebenswahrscheinlichkeit“ zugeteilt werden dürfen. Diskriminierung aufgrund von Behinderung, Alter, Geschlecht oder Herkunft ist gesetzlich ausdrücklich verboten. Ausgeschlossen ist auch die sogenannte Nachsorge, bei der die Behandlung eines Patienten zugunsten eines anderen abgebrochen würde.
Der Gesundheitsausschuss hatte das Gesetz in dieser Woche ausführlicher dargestellt und um eine Bewertungsverordnung ergänzt. Behindertenverbände und Ärztevertreter hatten den Gesetzentwurf kritisiert. Einige befürchten, dass die Regelung nicht ausreicht, um behinderte Menschen vor Benachteiligung zu schützen. Andere befürchten Rechtsunsicherheit und halten Teile der Verordnung für kaum umsetzbar. Sie sieht unter anderem vor, dass in bestimmten Fällen bis zu drei Ärzte zur Zuteilungsentscheidung hinzugezogen werden sollen.
Gesetze gelten in einer Pandemie, aber nicht in einer Naturkatastrophe
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte jedoch sein Gesetz. Erwarten Sie mehr Pandemien und Infektionskrankheiten, sagte er. Sie müssen also besser vorbereitet sein. „Aber grundsätzlich muss klar sein, dass behinderte oder ältere Menschen auch in Zeiten des Mangels nicht benachteiligt werden.“ Politiker mehrerer Parteien äußerten im Bundestag die Hoffnung, dass dieses Gesetz nie zur Anwendung kommen müsste.
Die Gewerkschaft monierte, die Regelung solle nur für Pandemien gelten und nicht für Naturkatastrophen, Kriege oder Terroranschläge. Die AfD sprach von einem Einmarsch des Staates. Das Gesetz ist Ausdruck eines tiefen Misstrauens gegenüber Ärzten, denen durch bürokratische Vorschriften die Möglichkeit genommen werden soll, Entscheidungen im Sinne der Patienten zu treffen.
Aufgrund des zunächst unklaren Abstimmungsergebnisses mussten die Abgeordneten zur namentlichen Wahl gehen.
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