
Buenos Aires / Santiago / Brasilien. Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Delegation erzielten bei hochrangigen Gesprächen in Argentinien, Chile und Brasilien mehrere Wirtschaftsabkommen. Bei der militärischen Unterstützung der Ukraine erhielt Deutschland erwartungsgemäß nur eine Absage.
Lateinamerika war in den vergangenen Jahren kein Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik. Laut dem chilenischen Radio Bio-Bio bemüht sich die Bundesregierung nun um eine Vertiefung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der Region, da Deutschland unter den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine leidet.
Wenige Wochen vor seinem Besuch veröffentlichte Scholz einen Artikel in Foreign Affairs, dem Magazin einer der führenden amerikanischen Denkfabriken, in dem er auch seine Sicht auf Lateinamerika darlegte. In der “neuen multipolaren Welt” habe Lateinamerika “wie viele Länder in Afrika, Asien und der Karibik” das Recht, “ein größeres Mitspracherecht in globalen Fragen einzufordern”.
Die Erwartungen an die Reise waren hoch. In Deutschland stehen „Türen überall offen“. Das Land sei zudem „ein begehrter Partner: fair, ökologisch und effizient“ – die Tagesschau etwa verdeutliche die Position der Bundesregierung.
Weniger positiv äußerte sich Günter Maihold, stellvertretender Vorstand der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er sieht die Gemeinsamkeiten zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union “zusammenbrechen”. Die Politik in Berlin und Brüssel hat in den letzten Jahren ernsthafte Gräben geschaffen. Auf dem Höhepunkt der Pandemie hinterließ die Europäische Union negative Auswirkungen in der Region, da sie sich weigerte, Impfstoffe zu liefern, und auch gegen chinesische Impfstoffe argumentierte. Auch die Sanktionspolitik gegen Russland auf dem Subkontinent wird abgelehnt.
Chiles führende Online-Tageszeitung El Mostador zitierte anlässlich des Staatsbesuchs aus einer Studie von Maihold, wonach man sich über eine starke Unterstützung der deutschen Position zur Ukraine “keine Illusionen machen sollte”.
In der ersten Station in Argentinien erklärte Scholz, Deutschland sei „an einer engeren Zusammenarbeit in Energiefragen interessiert“ und beide Länder sollten beim „Klimawandel“ zusammenarbeiten. Auch in den Verhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur sollte ein „konstruktiver Geist“ herrschen.
Laut dem Redeprotokoll des Deutsch-Chilenischen Wirtschaftsforums in Santiago de Chile, sagte Scholz, die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit setze voraus, dass Deutschland anerkenne, dass es “lokale Wertschöpfung” berücksichtige.
Der argentinische Präsident Alberto Fernandez sagte, das Land wolle „ein sicherer Gasproduzent in der Welt“ sein. In Bezug auf die Handelsbeziehungen sind Argentinien und Deutschland bereits am Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft beteiligt. Der Gesamthandel mit Deutschland soll im Jahr 2022 3,6 Milliarden US-Dollar überschreiten, eine Steigerung von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Über Lithium- und Kupferabkommen wird berichtet, zusätzlich zu gegenseitigen Ankündigungen in Argentinien und Brasilien, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem MERCOSUR zu beschleunigen.
Das Abkommen ist aus verschiedenen Gründen seit 20 Jahren festgefahren. Viele EU-Staaten lehnen es wegen unzureichender Umweltstandards oder wegen der Nachteile für die europäischen Landwirte ab. Die von der neuen Linksregierung in Brasilien angekündigte Politik zum Schutz des Amazonasgebiets und der Umwelt im Allgemeinen könnte bestehende Bedenken ausräumen.
Die Bundesregierung stelle nun rund 200 Millionen Euro für den Schutz des Regenwaldes in Brasilien bereit, kündigte Scholz in Brasilia an.
Präsident Lula da Silva hat im Wahlkampf deutlich gemacht, Teile des Abkommens neu verhandeln zu wollen. „Wir müssen überlegen, was für Südamerika wichtig ist“, sagte er internationalen Medien. „Der eine kann nicht einfach gewinnen und der andere nicht. Wir wollen unser Recht auf Reindustrialisierung nicht aufgeben.“ (US21-Bericht).
In einer Pressekonferenz mit Scholz sagte er, seine Regierung werde mit Argentinien zusammenarbeiten, um den Deal bis Mitte des Jahres abzuschließen. Lula fuhr fort: „Wir werden versuchen, den Europäern zu zeigen, wie flexibel wir sind. Und wir wollen, dass die Europäer uns zeigen, wie flexibel sie sind.“
In Argentinien konnte das Dresdner Unternehmen Deutsche E-Metal (DEM) mehr als 70.000 Hektar Lithium-Konzessionen erwerben. DEM-Vorstand Micah Zauner erklärte, sein Unternehmen setze auf „lokale Partnerschaften auf Augenhöhe“.
In Chile vereinbarte die deutsche Orubis AG eine Absichtserklärung zur engeren Zusammenarbeit mit dem chilenischen Konzern Codelco, dem weltgrößten Kupferproduzenten. Auch hier betont Roland Harings, CEO von Orubis, „dass die Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten“. Außerdem gehe es um „mehr Nachhaltigkeit in Abbau, Verarbeitung und Recycling“.
Oribis und Dem waren Teil der Wirtschaftsdelegation, die Scholz begleitete.
Auch der Krieg in der Ukraine war Gesprächsthema in den drei südamerikanischen Ländern. Argentinien, Chile und Staatsoberhäupter Brasilien Weigerung, am Krieg teilzunehmen, beispielsweise durch Lieferung von Waffen oder Munition.
Lula da Silva stellte auch eine Friedensinitiative vor: Es sollte eine Gruppe von Staaten geschaffen werden, die die Russische Föderation und die Ukraine als Partner am Verhandlungstisch akzeptieren und bei Friedensverhandlungen helfen würden. Er schlägt vor, dass „wir die G20 mobilisieren, um den Konflikt beizulegen“. Die Volksrepublik China kann ebenso wie Indien und Indonesien einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Lula sagte: “Brasilien wird hart dafür arbeiten.”